Sind Sie Betroffener in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren oder Beschuldigter in einem Strafverfahren?
Leitfaden für das Strafverfahren:
Stellen Sie sich vor, sie liegen morgens nichtsahnend im Bett und werden in den frühen Morgenstunden unsanft durch die Sprengung Ihrer Wohnungstür geweckt und liegen Sekunden später mit Handschellen auf dem Rücken auf dem Boden Ihrer Wohnung.
Nun gut, dies ist ein extremes Beispiel, jedoch im Bereich des Möglichen.
Zur Ausgangslage:
Irgendein Gericht hat in diesem Fall einen Durchsuchungsbeschluss erlassen und dieser wurde soeben vollstreckt. Bereits hier kann sich enormes Potenzial für die Verteidigung ergeben.
An einen Durchsuchungsbeschluss sind durch das Bundesverfassungsgericht genaue Anforderungen gestellt worden. So muss sich aus dem Inhalt des Durchsuchungsbeschlusses die Ihnen zur Last gelegte Tat zeitlich und örtlich soweit konkretisieren lassen, dass Sie sich alleine durch den Ihnen auszuhändigen Beschluss in die Lage versetzt sehen, den Beschluss auf seine inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen. Bereits hier unterlaufen den Gerichten im Massengeschäft der täglichen Arbeit mitunter Fehler.
Auch wenn es in diesem Fall leicht gesagt ist, bewahren Sie Ruhe.
Regel eins lautet: Ich sage nichts.
Regel zwei lautet: Ich sage nichts.
Regel drei lautet: Ich will sofort einen Anwalt sprechen.
Auch wenn die vor Ort erscheinenden Polizeibeamten es oft unterbinden möchten, weil der Anwalt immer „Sand im Getriebe“ bedeutet, Sie haben gemäß § 137 Abs. 1 Strafprozessordnung das Recht, jederzeit einen Anwalt zu kontaktieren. Machen Sie von Ihrem Recht Gebrauch. Je eher ein Anwalt ins Verfahren kommt, desto eher kann man Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden entgegensteuern und die Rechte des Mandanten in den Vordergrund stellen.
Aber auch wenn es Sie nicht so drastisch getroffen hat und sie lediglich eine Vorladung zu einer Vernehmung als Beschuldigter bekommen haben, so sollten Sie niemals zu diesem Termin erscheinen und einen Anwalt konsultieren. Zum einen sind die meisten Menschen, wenn Sie nicht gerade hauptberuflich Verbrechen begehen und entsprechend abgezockt sind, sehr nervös und reden sich manchmal um „Kopf und Kragen“, zum anderen sollten Sie nicht erwarten, dass die Polizei auch nur im Ansatz entlastende Momente für Sie ermittelt. Polizeibeamte sind staatsanwaltliche Ermittlungspersonen und die ermittelnden Polizisten haben immer im Hinterkopf, dass der „böse Verbrecher“ doch zur Strecke gebracht werden muss. Auch sollten Sie von den Polizeibeamten keine allzu großen Kenntnisse des materiellen und prozessualen Strafrechts erwarten, wie z.B. eine ordnungsgemäße Belehrung des Beschuldigten oder eine richtige Bewertung des Straftatbestands, der Ihnen vorgeworfen wird.
Weiterhin werden Ihre dort getätigten Aussagen leider auch nicht wörtlich protokolliert, sondern im Regelfall lediglich sinngemäß erfasst. Am Ende unterschreiben Sie Ihre Aussage unter jeder Seite, nachdem Sie diese grob in Hektik überflogen haben dann sagen Sie in einem etwaig stattfindenden gerichtlichen Verfahren, dass Sie diese Aussage so nicht getätigt haben, woraufhin Ihnen dann vom Gericht vorgehalten wird, dass Sie Ihre Aussage doch gelesen und dann auch unterschrieben haben. Dies ist eine böse Falle für die Verteidigung. Daher sollten Sie immer zuerst über den von Ihnen gewählten Anwalt Akteneinsicht verlangen und dann gegebenenfalls durch Ihren Anwalt eine sogenannte Einlassung abgeben, eine Schilderung dessen, was aus Ihrer Sicht passiert ist.
Nunmehr zum weiteren Verfahren.
Das Strafverfahren gliedert sich in drei Abschnitte, Vorverfahren, Zwischenverfahren und Hauptverfahren.
Was Ihnen nun gerade geschildert wurde sind Ausschnitte aus dem Vorverfahren.
Am Ende des Vorverfahrens, welches alleine durch die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungspersonen in Form der Polizei geführt wird, trifft die Staatsanwaltschaft eine prognostische Entscheidung, für den Laien eine „Pi-mal-Daumen“ Entscheidung. Inhalt dieser Entscheidung ist die Frage, ob es mit dem bisher ermittelten Sachverhalt für eine Verurteilung in einer Hauptverhandlung reichen würde, oder auch nicht. Dies richtet sich nach § 170 StPO, dessen Wortlaut besagt, dass die Ermittlungen entweder genügend Anlass zu einer Anklageerhebung geben müssen, oder anderenfalls das Verfahren einzustellen ist.
Daran anschließend geht es ins sogenannten Zwischenverfahren nach §§ 199-211 StPO über. Sie sehen, dieses Zwischenverfahren ist auf Grund der geringen Anzahl von lediglich zwölf Paragraphen bereits sehr schlank gestaltet und in dieser Phase des Verfahrens gibt es denklogisch auch für die Verteidigung nur sehr wenig Gestaltungsmöglichkeiten. Konkret heißt dies, dass die Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift an das Gericht übersendet, mit der Bitte die Anklage zum Hauptverfahren zuzulassen, dies ergibt sich aus § 199 Abs. 1 StPO.
In diesem Abschnitt des Verfahrens ist es bereits fast völlig aussichtslos, dass für den Mandant das „Ruder noch rumgerissen“ wird. Auf Grund der Vielzahl an Anklagen wird im Regelfall die Anklage durch das zuständige Gericht zugelassen. Wie dem Verfasser dieses Leitfadens aus einer Vielzahl von Gesprächen mit Richtern bekannt ist, liegen dem die folgenden Erwägungen zu Grunde:
Wenn ein Richter eine Anklage nicht zulässt, dann muss er seitenweise seine Ansicht begründen, warum er die Zulassung der Anklage ablehnt. Daraufhin legt die Staatsanwaltschaft, die sogenannte „objektivste Behörde der Welt“, Beschwerde gegen den entsprechenden Nichtzulassungsbeschluss ein und die ganze Sache geht in die nächste Instanz. Da auch dort dann Richter mit der Sache befasst sind, die auch so schon genug zu tun haben, wird die Anklage dann doch zugelassen und es wird am Ende verhandelt. Daher ersparen sich viele Richter der unteren Instanzen den gesamten Aufwand und lassen die Anklage der Staatsanwaltschaft mit einer nur oberflächlich erfolgten Prüfung direkt zu.
Um es in Worte zu fassen, dem Verfasser dieses Leitfadens sind in seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Verteidiger im gesamten Gebiet der Bundesrepublik ganze vier Verfahren untergekommen, in denen eine Anklage, mag sie auch noch so schwachsinnig sein, nicht zugelassen wurde.
Sie sehen, in diesem Stadium des Verfahrens ist meist kein Blumentopf mehr zu gewinnen.
Daher kann nur nochmals an Sie appelliert werden, nehmen Sie so früh es geht Kontakt zu Ihrem Rechtsanwalt auf.
Wenn nun die Anklage der Staatsanwaltschaft durch Beschluss des Gerichts zugelassen worden ist, werden Sie sich als Angeklagter irgendwann in einer meist öffentlich stattfindenden Hauptverhandlung auf der Anklagebank eines Gerichts wieder.
Ab diesem Zeitpunkt eröffnen sich dann auch für den von Ihnen gewählten Verteidiger eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Einflussnahme auf das Verfahren.
Dies geht über Beweisanträge der verschiedensten Art bis zu einem etwaigen Befangenheitsantrag gegen das Gericht.
Zum Thema der Beweismittel der Strafprozessordnung wird hier demnächst noch ein gesonderter Beitrag veröffentlicht werden.
Am Ende des Hauptverfahrens steht im Regelfall ein Urteil, wenn sich nicht aus der Verhandlung eine anderweitige Möglichkeit der Beendigung des Verfahrens ergibt, beispielsweise eine Einstellung des Verfahrens nach §§ 153 oder 153a StPO.
Falls Sie in der ersten Instanz tatsächlich verurteilt worden sind, so besteht im Regelfall noch weiterhin die Möglichkeit ein Rechtsmittel, namentlich die Berufung oder die Revision, einzulegen.
Hierbei ist besonders die relativ kurze Frist zur Rechtsmitteleinlegung von einer Woche zu beachten, hier ist also schnelles Handeln gefragt.
Der Unterscheid zwischen der Berufung und der Revision ist, dass die Berufung eine weitere Tatsacheninstanz ist, wohingegen in der Revision das Urteil nur auf etwaige Rechtsfehler überprüft wird.
Nunmehr sollten sie einen groben Überblick über das Strafverfahren erhalten haben und auch schon ein paar Fallstricke des Strafrechts kennen.
Also denke Sie daran, rufen Sie immer schnellstmöglich Ihren Anwalt an.
Der Verfasser dieses Leitfadens ist seit mehr als zehn Jahren als erfolgreicher Strafverteidiger bundesweit für Ihr Recht im Einsatz.