Benachteiligungsverbote wegen des Geschlechts im Sinne des AGG, hier: Schwangerschaft und Fragerechte des Arbeitgebers

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat sich in einem aktuellen Urteil vom 26.01.2022 – Az. 3 Sa 1087/21 – mit der Benachteiligung einer Arbeitnehmerin hinsichtlich der Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft im Rahmen der Einstellung und den Folgefragen der Anfechtung der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung sowie der Kündigung des Arbeitsverhältnisses auseinandergesetzt.

Grundsätzlich ist dieses Thema nicht neu und die Fragestellung an sich durch das Bundesarbeitsgericht zumindest hinsichtlich unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse beantwortet. Bei unbefristeten Einstellungen ist ein Fragerecht des Arbeitgebers bzw. eine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin bezüglich ihrer Schwangerschaft nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH und des BAG wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen unzulässig. Stichwort: Recht zur Lüge!

In der vorliegenden Entscheidung ging es jedoch um ein befristetes Arbeitsverhältnis.

Die falsche Beantwortung einer der Arbeitnehmerin bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1 BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss ursächlich war. 

Das Verschweigen von Tatsachen, nach denen nicht gefragt wurde, stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich dieser Tatsachen eine Offenbarungspflicht besteht. Arglistig ist die Täuschung, wenn die Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass ihre Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen und deshalb oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Arbeitgeber entstehen oder aufrechterhalten werden. Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt insofern der Arbeitgeber. Dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen.

Ob ein Fragerecht des Arbeitgebers – und korrespondierend dazu eine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin – ausnahmsweise dann zu bejahen ist, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin von vornherein nur befristet und/oder als Vertretung einstellen wollte, ist umstritten. Dieses ist vom BAG noch nicht entschieden worden. Das LAG Köln lehnte in seinem Urteil vom 11.10.2012 – 6 Sa 641/12 – ein Fragerecht auch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis ab. Im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 04.10.2001 – C-109/00 – (Tele Danmark) sei auch eine Offenbarungspflicht der Schwangerschaft abzulehnen. 

Das LAG Hamm führt dazu aus:

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 01.09.2021, 3 Ca 333/21 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das zwischen den Parteien seit dem 01.03.2021 bestehende Arbeitsverhältnis weder durch Anfechtung noch durch Kündigung aufgelöst wurde.

Die Klägerin ist verheiratet sowie Mutter eines Kleinkindes und eines Säuglings. Der Beklagte ist ein eingetragener Verein mit einer Kindertagesstätte für Kinder im Vorschulalter.

Die Klägerin bewarb sich auf eine von dem Beklagten ausgeschriebene Arbeitsstelle als Erzieherin in der Kindertagesstätte. Während des Vorstellungsgesprächs am 16.02.2021 erwähnte die Klägerin, dass während ihrer ersten Schwangerschaft festgestellt worden sei, dass sie nicht über eine Immunität gegen das Zytomelagievirus verfügt habe. Nach einem Probearbeitstag am 22.02.2021 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie die ausgeschriebene Arbeitsstelle zunächst befristet bis zum 31.07.2022 bekommen und am 01.03.2021 beginnen könne. Ob die Klägerin die Annahme der Stelle bereits am 22.02.2021 mündlich verbindlich zusagte, ist zwischen den Parteien streitig. Am Morgen des 23.02.2021 teilte die Vorstandsvorsitzende des Beklagten der Klägerin mit, dass sie den Vertrag fertigen und der Klägerin vorab per Mail und im Original per Post zukommen lassen werde. Am Morgen des 24.02.2021 sandte die Vorstandsvorsitzende des Beklagten den Arbeitsvertrag, dem noch die Unterschrift des Personalvorstands des Beklagten fehlte, per E-Mail mit folgendem Anschreiben an die Klägerin:

„Sehr geehrte Frau A.,

in der Anlage finden Sie den eingescannten Vertrag. Ich lasse den Vertrag jetzt noch von Herrn B. gegenzeichnen, dann bekommen Sie ihn per Post mit der Bitte, ein Exemplar unterzeichnet und möglichst zeitnah an uns zurückzusenden.“

Am 25.02.2021 stellte die Frauenärztin der Klägerin bei dieser eine Schwangerschaft fest. Am 27.02.2021 ging bei der Klägerin der von der Vorstandsvorsitzenden und dem Personalvorstand des Beklagten unterzeichnete Arbeitsvertrag ein (vgl. Bl. 7 – 13 d. A.). Diesen unterzeichnete die Klägerin ihrerseits und warf ihn am Sonntag, den 28.02.2021 in den Briefkasten des Beklagten ein. Am Morgen des 01.03.2021 rief die Klägerin in der Kindertagesstätte des Beklagten an und teilte mit, dass sie schwanger sei. Die stellvertretende Leiterin der Kindertagesstätte sagte der Klägerin daraufhin, dass sie zuhause bleiben solle. In dem Telefonat teilte die Klägerin des Weiteren mit, dass sie den Arbeitsvertrag in den Briefkasten des Beklagten eingeworfen habe. Weitere Einzelheiten des Telefonats sind zwischen den Parteien streitig. Mit Schreiben vom 01.03.2021, das der Klägerin am 04. oder 05.03.2021 zuging, zog der Beklagte sein Angebot zurück, der Klägerin „ab dem 01.03.2021 einen Arbeitsvertrag als pädagogische Fachkraft in unserer Kita anzubieten“. Hilfsweise erklärte der Beklagte mit dem Schreiben vom 01.03.2021 die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, weil die Klägerin verpflichtet gewesen sei, ihn über die Schwangerschaft zu informieren. Äußerst hilfsweise erklärte der Beklagte „die Kündigung des Arbeitsverhältnisse innerhalb der Probezeit mit einer Frist von 14 Tagen, also zum 20.03.2021“. Die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin ist am 16.03.2021 beim Arbeitsgericht Rheine eingegangen.

Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte habe sein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages nicht wirksam widerrufen. Bereits am 22.02.2021 habe sie sich mit dem Beklagten über alle wesentlichen Punkte des Arbeitsvertrages geeinigt. Der Arbeitsvertrag habe nur noch ausgefertigt und unterschrieben werden müssen. Das Telefonat, auf das der Beklagte Bezug nehme, habe sie nach ihrer Erinnerung in nicht aufgeregtem Zustand bereits am 24.02.2021 geführt, nachdem sie die E-Mail der Vorstandsvorsitzenden erhalten und der dort beigefügte Arbeitsvertrag nicht alle Unterschriften aufgewiesen habe. Der in den Briefkasten des Beklagten eingeworfene Arbeitsvertrag sei dem Beklagten spätestens direkt am Morgen des 01.03.2021 zugegangen. Der Beklagte habe den Arbeitsvertrag nicht wirksam angefochten. Sie habe ihre Schwangerschaft, von der sie erstmals am 25.02.2021 erfahren habe, nicht offenbaren müssen. Sie könne anderweitige Tätigkeiten bei dem Beklagten ausführen, für die eine Zytomelagie-Immunität – sollte sie nach wie vor nicht bestehen – nicht erforderlich sei. Zudem werde sie ihre Tätigkeit nach Ende des Mutterschutzes aufnehmen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien seit dem 01.03.2021 bestehende Arbeitsverhältnis durch das Schreiben der Beklagten vom 01.03.2021 nicht wegen arglistiger Täuschung rückwirkend zum 01.03.2021 aufgehoben wird und auch nicht aufgrund einer ordentlichen Kündigung aufgelöst wird, sondern unter unveränderten Bedingungen bis zum 31. Juli 2022 fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat vorgebracht, es sei bereits kein Arbeitsvertrag zustande gekommen. Am 22.02.2021 habe sich die Klägerin ausdrücklich vorbehalten, sich die Angelegenheit noch einmal zu überlegen. Den Arbeitsvertrag habe er vorab übersandt, weil die Klägerin dies gewünscht habe und ihm aufgrund der bestehenden Personalnot sehr daran gelegen gewesen sei, die Klägerin einzustellen. Üblicherweise werde der von seinen Vorstandsmitgliedern unterzeichnete Vertrag in der Kindertagessstätte deponiert und dort unmittelbar vor Dienstantritt von der jeweiligen neuen Mitarbeiterin unterschrieben. Am 26.02.2021 habe sich die Klägerin aufgeregt telefonisch gemeldet und mitgeteilt, dass sie den Vertrag unbedingt im Original mit sämtlichen Unterschriften brauche, um diesen zu prüfen. Der von der Klägerin gegengezeichnete Arbeitsvertrag sei ihm zum Zeitpunkt des Anrufs der Klägerin am Morgen des 01.03.2021 noch nicht zugegangen gewesen. Die Post werde montags regelmäßig erst vormittags zugestellt; der Briefkasten dementsprechend auch erst mittags gelehrt. Die hierzu berechtigte stellvertretende Leiterin habe der Klägerin während des Telefonats gesagt, dass das Arbeitsplatzangebot unter diesen Umständen nicht aufrechterhalten werde. Jedenfalls durch die von ihm erklärte Anfechtung sei ein etwaiges Arbeitsverhältnis ex tunc unwirksam geworden. Er gehe davon aus, dass die Klägerin bereits während des Vorstellungsgespräches gewusst habe, dass sie schwanger sei. Aufgrund der fehlenden Zytomelagie-Immunität während der ersten Schwangerschaft sei der Klägerin zudem klar gewesen, dass sie unmittelbar ein Beschäftigungsverbot erhalten werde. Ferner sei die Klägerin über seine angespannte Personalsituation informiert gewesen. Die Klägerin habe folglich arglistig gehandelt, als sie eine Stelle angenommen habe, die wegen akuter Personalnot aufgrund zweier Krankheitsfälle und des Ausspruchs einer Kündigung sofort angetreten werden müsse, obwohl ihr bekannt gewesen sei, dass sie niemals auch nur einen Tag arbeiten dürfe. Zudem sei das Verhalten der Klägerin als rechtsmissbräuchlich einzustufen. Sie habe den unterschriebenen Originalvertrag erhalten wollen und die Schwangerschaft verschwiegen, um finanziell abgesichert zu sein.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 01.09.2021 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Arbeitsvertrag zustande gekommen sei, weil dem Beklagten die Annahmeerklärung der Klägerin vor dem etwaigen Widerruf zugegangen sei. Der Arbeitsvertrag sei auch nicht von Anfang an als nichtig anzusehen, weil der Anfechtungsgrund der arglistigen Täuschung – auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs – nicht vorliege. Auch bei befristeten Einstellungen sei die Schwangere nicht verpflichtet, ihre Schwangerschaft zu offenbaren. Es sei offenbar nicht überprüft worden, ob möglicherweise inzwischen eine Zytomelagie-Immunität bestehe. Zudem habe die Klägerin angekündigt, die Tätigkeit nach Ende der Mutterschutzfristen anzutreten, sodass es keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme gebe, dass es der Klägerin lediglich darum gegangen sei, den formalen Status als Arbeitnehmerin zu erlangen. Schließlich sei auch die hilfsweise erklärte Kündigung aufgrund der bestehenden Schwangerschaft gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG unwirksam. Wegen der weiteren Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das Urteil (Bl. 102 – 114 d. A.) verwiesen. Gegen das dem Beklagten am 22.09.2021 zugestellte Urteil hat dieser am 14.09.2021 Berufung eingelegt und diese am 18.10.2021 begründet.

Der errechnete Geburtstermin ist der 01.10.2021 gewesen. Am 21.09.2021 hat die Klägerin ihr zweites Kind geboren. Mit Schreiben vom 02.10.2021 hat die Klägerin dem Beklagten mitgeteilt, dass sie für ein Jahr Elternzeit beanspruche.

Der Beklagte führt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens aus, der Klägerin sei bereits im Vorstellungsgespräch mitgeteilt worden, dass eine Erzieherin in Elternzeit sei und zwei weitere langfristig krankheitsbedingt ausfielen, sodass er kurzfristig Ersatz suche. Der Klägerin sei somit bewusst gewesen, dass die Einstellung dringlich gewesen sei. Der umgehend nach der Geburt des Kindes gestellte Antrag auf Elternzeit zeige, dass es nie der Plan der Klägerin gewesen sei, die Arbeit aufzunehmen. Die Klägerin habe also in Kenntnis der Schwangerschaft einen befristeten Arbeitsvertrag angenommen, obwohl sie gewusst habe, dass sie nicht einen Tag des befristeten Arbeitsverhältnisses die Arbeit antreten werde. Dies beinhalte eine arglistige Täuschung und sei rechtsmissbräuchlich. Es erscheine konstruiert, eine Kaiserschnittgeburt zehn Tage vor dem errechneten Geburtstermin als Grund dafür zu nennen, eine Elternzeit in Anspruch zu nehmen, die man eigentlich nicht habe beantragen wollen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 01.09.2021, 3 Ca 333/21 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass festgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 01.03.2021 nicht aufgelöst worden ist.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend aus, der Beklagte hätte ihren Immunstatus vor der Einstellung überprüfen müssen. Ihr zweites Kind sei per Notkaiserschnitt geboren worden. Aufgrund dieser Umstände und aufgrund der Situation des Kindes habe sie sich entschieden, die Tätigkeit bei dem Beklagten unmittelbar nach Beendigung des Mutterschutzes nicht aufzunehmen, sondern nunmehr Elternzeit zu beantragen. Ihr Ehemann studiere noch, sodass die Versorgung der Kinder durch ihren Ehemann und beispielsweise die Großeltern gesichert gewesen wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und die Terminsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

A. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach der Art des Streitgegenstands zulässig (§ 64 Abs. 2 Buchst. c ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und auch fristgerecht gegen das am 22.09.2021 zugestellte Urteil am 14.09.2021 eingelegt (§ 519 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) und innerhalb der Frist des § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG am 18.10.2021 begründet worden.

Der Umstand, dass das Urteil zum Zeitpunkt der Einlegung der Berufung zwar verkündet, aber noch nicht zugestellt war, hindert die wirksame Einlegung der Berufung nicht (Schwab in: Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 66 ArbGG, Rn. 29 f.)

Die Berufung ist auch ordnungsgemäß (§ 520 Abs. 3 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG) begründet. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Für diese Erklärung bedarf es nicht der Stellung eines als solchen bezeichneten Antrags. Es reicht aus, wenn die Berufungsbegründung den Schluss auf die Weiterverfolgung des erstinstanzlichen Begehrens zulässt (vgl. BGH, 12.08.2020, VII ZB 5/20, Rn. 17 f.). Die Auslegung der Ausführungen des Beklagten am Ende der Berufungsbegründung, die Klage sei somit zurückzuweisen, ergibt, dass das Urteil des Arbeitsgerichts von dem Beklagten insgesamt zur Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt werden soll, soweit er durch dieses Urteil beschwert ist.

Die Berufung ist damit zulässig.

B. Die Berufung ist unbegründet. Die zulässige Klage ist begründet.

I. Das Feststellungsbegehren der Klägerin ist zulässig. Es ist – entsprechend der Fassung des Begehrens in der Berufungsinstanz – als einheitlicher Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG anzusehen. Die Fragen, ob der Widerruf wirksam war und/oder die Anfechtung berechtigt war und zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat, sind vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage mit umfasst.

1. Gegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG ist das Begehren festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die konkrete, mit der Klage angegriffene Kündigung zu dem in ihr vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Die betreffende Feststellung erfordert nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung eine Entscheidung über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgebenden Urteils steht deshalb regelmäßig zugleich fest, dass jedenfalls bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat, das nicht schon zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst worden ist. Von dem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG ist auch die Frage umfasst, ob das Arbeitsverhältnis am vorgesehenen Auflösungstermin noch bestanden hat und nicht durch einen während der Kündigungsfrist eingetretenen Umstand aufgelöst worden ist. Demgegenüber soll die allgemeine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO die Frage klären, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund von Beendigungstatbeständen aufgelöst worden ist, die vom Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage nicht erfasst sind (vgl. BAG, 20.03.2014, 2 AZR 1071/12, Rn. 14 – 23).

2. Hat der Arbeitgeber neben einer ordentlichen Kündigung den Widerruf der Erklärung, der Arbeitnehmerin einen Arbeitsvertrag anzubieten, und die Anfechtung des Arbeitsvertrags erklärt, hängt der Erfolg der Kündigungsschutzklage auch von der Wirksamkeit des Widerrufs und der Anfechtung ab, wenn diese – ihre Berechtigungen unterstellt – dazu führen, dass bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht bestanden hat bzw. auf einen Zeitpunkt wirken, der vor dem Auflösungstermin der Kündigung liegt. Ob der Widerruf und die Anfechtung durchgreifen, ist deshalb in aller Regel schon im Rahmen des Kündigungsschutzantrags zu überprüfen.

So liegt auch der vorliegende Fall. Das Kündigungsschutzbegehren der Klägerin kann nur Erfolg haben, wenn der Widerruf und die Anfechtung des Arbeitsvertrags nicht durchgreifen. Andernfalls wäre kein Arbeitsvertrag zustande gekommen bzw. hätte die Anfechtung das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist aufgelöst. Wäre der Widerruf berechtigt, hätte zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 04. oder 05.03.2021 kein Arbeitsverhältnis bestanden. Gleiches gilt bezüglich der Anfechtung: wäre sie berechtigt, wäre die Kündigungsschutzklage schon deshalb abzuweisen, weil am 20.03.2021 – dem Kündigungstermin nach der Kündigungserklärung vom 01.03.2021 – zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden hätte. Das gilt unabhängig davon, ob der Anfechtung Wirkung „ex nunc“ beizulegen wäre oder ob diese auf den Zeitpunkt der „Außerfunktionsetzung“ des Arbeitsverhältnisses zurückwirken würde.

Danach ist das Feststellungsbegehren als einheitlicher Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG zu verstehen.

II. Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Der Beklagte hat den Arbeitsvertrag weder wirksam widerrufen noch wirksam angefochten. Die ordentliche Kündigung vom 01.03.2021 ist unwirksam.

1. Die Kündigungsschutzklage war nicht deshalb abzuweisen, weil zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung am 04. oder 05.03.2021 kein Arbeitsverhältnis bestanden hätte. Der Beklagte war nicht zum Widerruf der Erklärung, der Klägerin einen Arbeitsvertrag anzubieten, berechtigt.

a) Die Parteien haben einen wirksamen Arbeitsvertrag geschlossen.

aa) In der Übersendung des unterschriebenen Arbeitsvertrags, den die Klägerin am 27.02.2021 erhalten hat, liegt ein Vertragsangebot gemäß § 145 BGB.

bb) Das Vertragsangebot des Beklagten hat die Klägerin durch Unterzeichnung und Einwurf des Arbeitsvertrags in den Briefkasten des Beklagten wirksam angenommen.

(1) Hat der Anbietende selbst eine Frist für die Annahme seines Antrags bestimmt, kann nach § 148 BGB die Annahme (nur) innerhalb der Frist erfolgen.

(2) In seiner am 24.02.2021 an die Klägerin versendeten E-Mail vom 23.02.2021 hat der Beklagte erklärt, dass die Klägerin den unterzeichneten Arbeitsvertrag möglichst zeitnah zurücksenden möge. Dieser Erklärung lässt sich angesichts des Beginns des befristeten Arbeitsvertrags am 01.03.2021 und des Erhalts des Arbeitsvertrags am 27.02.2021 entnehmen, dass die Klägerin das Vertragsangebot spätestens bis zum Arbeitsantritt am 01.03.2021 annehmen sollte. Das hat sie getan, indem sie den unterzeichneten Arbeitsvertrag am 28.02.2021 in den Briefkasten des Beklagten einwarf und den Beklagten vor Arbeitsantritt darauf hinwies, dass sich der Arbeitsvertrag im Briefkasten befindet. Vor Arbeitsantritt war nach dem Willen des Beklagten sein Antrag noch nicht erloschen. Zu ermitteln ist der Inhalt seines Willens im Zeitpunkt des Zugangs des Antrags. Dieser lag vor dem 01.03.2021. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt sprechen alle Umstände dafür, dass der Arbeitsvertrag jedenfalls zwei Tage später und vor Arbeitsantritt noch sollte angenommen werden können. Der Beklagte hat keinerlei gegenteilige Gesichtspunkte vorgetragen.

Am 01.03.2021 ist damit zwischen den Parteien der streitgegenständliche Vertrag zustande gekommen.

b) Der nach der Behauptung des Beklagten telefonisch erklärte Widerruf am 01.03.2021 und der Widerruf mit Schreiben vom 01.03.2021 sind in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung. Sie sind auf die Wirksamkeit des Angebots durch Übersendung des Arbeitsvertrags und auf die Dauer der für dieses Angebot geltenden Annahmefrist ohne Einfluss. Das folgt aus § 146 BGB. Der einmal wirksam erklärte Antrag erlischt erst, wenn er abgelehnt oder wenn er nicht rechtzeitig angenommen wird. Der Antrag seinerseits ist mit Zugang wirksam geworden, § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB. Etwas anderes gälte nur dann, wenn er schon vorher oder doch gleichzeitig widerrufen worden wäre, § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein Widerruf, der erst nach der betreffenden Willenserklärung zugeht, hindert deren Wirksamkeit nicht (BAG, 06.05.1998, 5 AZR 235/97, Rn. 56).

2. Die Kündigungsschutzklage war nicht deshalb abzuweisen, weil zwischen den Parteien am 20.03.2021 kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden hätte. Der Beklagte war nicht zur Anfechtung des Arbeitsvertrags berechtigt.

a) Einer Wirksamkeit der Anfechtungserklärung steht nicht bereits entgegen, dass der Beklagte die Anfechtung hilfsweise erklärt hat. Zwar ist eine Anfechtungserklärung wegen ihres Gestaltungscharakters grundsätzlich bedingungsfeindlich (BAG, 18.10.2018, 6 AZR 246/17, Rn. 30; BGH, 15.02.2017, VIII ZR 59/16, Rn. 31). Gleichwohl wird aber eine Eventualanfechtung, also eine Anfechtung für den Fall, dass das Rechtsgeschäft nicht ohnehin nichtig ist, allgemein für zulässig gehalten, weil hierin keine Bedingung im Rechtssinne zu sehen ist. Denn trotz der nur „hilfsweisen“ Erklärung der Anfechtung tritt ein Schwebezustand insofern nicht ein, als nicht die Wirkung der Anfechtungserklärung, sondern nur ihre juristische Relevanz von einer bestimmten Beurteilung der Rechtslage durch das Gericht abhängt. Die Wirkung der Anfechtung ergibt sich dann nämlich aus der künftigen gerichtlichen Klarstellung eines damals nur für die Parteien ungewissen, aber objektiv bereits bestehenden Rechtszustandes.

b) Eine arglistige Täuschung gemäß § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

aa) Die falsche Beantwortung einer der Arbeitnehmerin bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber nach § 123 Abs. 1 BGB dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss ursächlich war. Das Verschweigen von Tatsachen, nach denen nicht gefragt wurde, stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich dieser Tatsachen eine Offenbarungspflicht besteht (BAG, 20.03.2014, 2 AZR 1071/12, Rn. 28, 30). Arglistig ist die Täuschung, wenn die Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass ihre Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen und deshalboder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim (künftigen) Arbeitgeber entstehen oder aufrechterhalten werden. Fahrlässigkeit – auch grobe Fahrlässigkeit – genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Arbeitgeber. Dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (BAG, 20.03.2014, 2 AZR 1071/12, Rn. 31).

bb) Danach hat die Klägerin den Beklagten nicht arglistig getäuscht, indem sie bei Vertragsschluss ihre Schwangerschaft nicht offenbart hat.

(1) Da nur Frauen schwanger werden können, stellt sich die Frage, ob eine Frau bei Vertragsschluss verpflichtet ist, ihre Schwangerschaft zu offenbaren, oder ob eine solche Offenbarungspflicht eine nach §  7 Abs. 1 iVm. §  1, §  2 Abs. 1 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 Satz 2 AGG unzulässige Diskriminierung wegen des Geschlechts darstellt. Hierbei muss nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts danach unterschieden werden, ob es sich um eine befristete oder eine unbefristete Einstellung handelt.

(a) Bei unbefristeten Einstellungen ist eine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin bezüglich ihrer Schwangerschaft nach der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesarbeitsgerichts wegen Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz der Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen (RL 76/207/EWG) unzulässig. Die mutterschutzrechtlichen Beschäftigungseinschränkungen gelten lediglich für einen befristeten Zeitraum, in welchem die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber nicht zur Erbringung der Arbeitsleistung zur Verfügung steht, und welcher bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, das auf Dauer angelegt ist, sich als nicht erheblich darstellt (EuGH, 03.02.2000, C-207/98, Mahlburg; BAG, 06.02.2003, 2 AZR 621/01).

(b) Umstritten ist jedoch nach wie vor, ob ein Fragerecht des Arbeitgebers – und korrespondierend dazu eine Offenbarungspflicht der Arbeitnehmerin – ausnahmsweise dann zu bejahen ist, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmerin von vornherein nur befristet und/oder als Vertretung einstellen wollte. Dieses ist vom Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden worden. Das Landesarbeitsgericht Köln (11.10.2012, 6 Sa 641/12) hat ein Fragerecht auch bei einem befristeten Arbeitsverhältnis abgelehnt. In dem entschiedenen Fall wurde eine Rechtsanwaltsgehilfin für 16 Monate befristet als Schwangerschaftsvertretung eingestellt. Bei Begründung des befristeten Arbeitsverhältnisses hat die zur Vertretung eingestellte Arbeitnehmerin gewusst, dass sie schwanger ist. Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis wegen Täuschung nach rund drei Monaten angefochten, obwohl für die Arbeitnehmerin bis dahin kein Beschäftigungsverbot bestanden und beide Seiten das Arbeitsverhältnis bis zur Anfechtungserklärung für drei Monate ohne Beeinträchtigungen durchgeführt haben. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung zu einer Kündigung wegen symptomloser HIV-Infektion (19.12.2013, 6 AZR 190/12, Rn. 46) ausgeführt, dass eine Kündigung wegen eines Merkmals iSd. § 1 AGG erfolgt, wenn ein Arbeitgeber einer befristet eingestellten Frau kündigt, die wegen ihrer Schwangerschaft während der gesamten Dauer der Befristung einem gesetzlichen Beschäftigungsverbot unterliegt. In der Literatur ist die Offenbarungspflicht bei befristeten Arbeitsverhältnissen umstritten. Nach einer Auffassung soll auch bei einer befristeten Einstellung – unabhängig von der Dauer der Befristung – die Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft unzulässig sein (Preis in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 22. Aufl. 2022, § 611a BGB, Rn. 290; Joussen, BeckOK Arbeitsrecht, Hrsg. Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Meßling/Udsching, 62. Edition, Stand: 01.12.2021, § 611a BGB, Rn. 114; Wisskirchen in: Tschöpe, Arbeitsrecht Handbuch, 12. Aufl. 2021, C. Anbahnung und Begründung eines Arbeitsverhältnisses, Rn. 91; Betz in Münchener Anwaltshandbuch Arbeitsrecht, Hrsg. Moll, 5. Aufl. 2021, § 45, Rn. 19; Brose/Weth/Volk/Kühn, 9. Aufl. 2020, § 15 MuSchG, Rn. 8). Begründet wird dies überwiegend damit, dass die neugefasste RL 2006/54/EG jede Benachteiligung wegen des Geschlechts unabhängig von den Interessen des Arbeitgebers verhindern wolle. Nach anderer Auffassung sei ein Fragerecht jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber wegen eingreifender Beschäftigungsverbote bzw. Mutterschutzfristen übermäßig belastet werde, weil das Austauschverhältnis von Arbeit gegen Geld wesentlich gestört sei, indem die Dauer der Befristung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zur Länge der eingreifenden Beschäftigungsverbote bzw. Mutterschutzfristen stehe (Kreitner in Küttner, Personalbuch, 28. Aufl. 2021, Stand: 01.01.2022, Auskunftspflichten Arbeitnehmer, Rn. 22; Thüsing/Lambrich BB 2002, 1144) bzw. bei Vertragsschluss sicher feststehe, dass das Arbeitsverhältnis erst gar nicht durchgeführt werden könne (Pallasch NZA-RR 2013, 232). Teilweise wird angenommen, dass ein qualitatives Element hinzukommen müsse, wie die Schwierigkeit, kurzfristig geeignetes Ersatzpersonal finden zu können bzw. die Dringlichkeit der von der Schwangeren zu erledigenden Arbeiten, die zu einer Störung des Betriebsablaufs führen, um ein Überwiegen des Informationsinteresses des Arbeitgebers gegenüber dem durch das Diskriminierungsverbot besonders geschützten Berufseinstiegsinteresses zu begründen (Pepping in Rancke/Pepping, Mutterschutz | Elterngeld | Elternzeit | Betreuungsgeld, 6. Aufl. 2022, § 15 MuSchG, Rn. 40). Andere stehen dem Arbeitgeber nur bei Rechtsmissbrauch ein Lösungsrecht zu (Benecke in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1: Individualarbeitsrecht I, 5. Aufl. 2021, § 33, Rn. 79).

(2) Nach Auffassung der Kammer kann nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 04.10.2001 (C-109/00, Tele Danmark) nicht von einer Offenbarungspflicht der Schwangerschaft in der hier zu beurteilenden Fallgestaltung ausgegangen werden.

(a) Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die Kündigung einer für sechs Monate befristet angestellten Aushilfskraft unwirksam ist, wenn diese dem Arbeitgeber im dritten Beschäftigungsmonat die Schwangerschaft offenbart und mitteilt, dass sie voraussichtlich vor Ablauf der Befristung entbinden werde. Der Gerichtshof der Europäischen Union folgte der Argumentation des Arbeitgebers nicht, wonach das Verschweigen der Schwangerschaft vor Abschluss des Vertrages eine Verletzung der Treuepflicht darstellt, sondern führte aus, dass es der Entlassung einer Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft entgegensteht, wenn diese auf bestimmte Zeit eingestellt wurde, wenn sie den Arbeitgeber nicht über ihre Schwangerschaft unterrichtet hat, obwohl ihr diese bei Abschluss des Arbeitsvertrags bekannt war, und wenn feststand, dass sie aufgrund ihrer Schwangerschaft während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht würde arbeiten können. Obwohl sich die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union nur auf die Kündigung des Arbeitsvertrages bezog, ist davon auszugehen, dass nichts anderes für eine mögliche Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gelten kann. Die Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses beruht nach Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union nämlich auf der Schwangerschaft und damit auf einer unzulässigen unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, sodass die Art und Weise bzw. die Form der Beendigung des Arbeitsvertrages durch eine Kündigung oder Anfechtung keine Rolle spielt.

(b) Die vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Voraussetzungen, bei denen eine Entlassung der Arbeitnehmerin wegen Schwangerschaft ausgeschlossen ist, liegen in dem hier zu entscheidenden Fall vor:

Die Klägerin wurde auf bestimmte Zeit eingestellt.

Zum Zeitpunkt der Annahme des Arbeitsvertragsangebots des Beklagten, also bei Vertragsschluss war der Klägerin die Schwangerschaft bekannt. Von einem Vertragsschluss bereits am 22.02.2021 ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin nicht auszugehen. Denn die Klägerin trägt selbst vor, dass trotz der Einigung über alle wesentlichen Punkte noch ein Arbeitsvertrag ausgefertigt werden sollte (vgl. Bl. 2 der Klageschrift). Nach § 154 Abs. 2 BGB ist bis zur geplanten schriftlichen Niederlegung (Aufzeichnung) des Arbeitsvertrages auch dann von einem fehlenden Vertragsabschluss auszugehen, wenn die Parteien mündlich eine vollständige Willensübereinstimmung zu allen Punkten hergestellt und den Vertragsabschluss vereinbart haben. Zwar ist als Ausnahme denkbar, dass die Parteien die Beurkundung ausschließlich zu Beweiszwecken und den Vertragsabschluss schon verbindlich vollziehen wollten; für eine solche Willensrichtung beider Parteien ist aber derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der sich auf sie beruft. Hierzu hat die Klägerin nichts vorgebracht. Dies wäre umso mehr geboten gewesen, als die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf (§ 14 Abs. 4 TzBfG).

Zu Gunsten des Beklagten nimmt die Kammer an, dass die Klägerin während der Schwangerschaft aufgrund eines individuellen Beschäftigungsverbots nicht in der von dem Beklagten betriebenen Kindertagesstätte hätte beschäftigt werden können. Somit stand bei Vertragsschluss fest, dass die Klägerin während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit, nämlich bis zur voraussichtlichen Geburt am 01.10.2021 und dem Ende der Schutzfrist nach der Geburt nicht beschäftigt werden kann. Entgegen der Ansicht des Beklagten stand jedoch bei Vertragsschluss nicht fest, dass die Klägerin während der gesamten Vertragszeit nicht arbeiten wird. Dass die Klägerin auch nach der Geburt und dem Ende der Schutzfrist in dem bis zum 31.07.2022 befristeten Arbeitsverhältnis keine Arbeitsleistungen erbringen wird, war erst mit dem von der Klägerin mit Schreiben vom 02.10.2021 gestellten Antrag auf Elternzeit gewiss. Darauf, ob es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wahrscheinlich war oder nicht, dass die Klägerin Elternzeit beanspruchen wird, kann es aus Sicht der Kammer nicht ankommen. Auf die Ungewissheit der weiteren Vertragsdurchführung lässt sich keine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung stützen. Dies zeigt schon folgende Überlegung: so können die Dauer der mutterschutzbedingten Ausfallzeiten auch im befristeten Arbeitsverhältnis gemäß § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG (ca. 14 Wochen bei einer Befristungsdauer von z. B. zwei Jahren) recht kurz, im unbefristeten Arbeitsverhältnis dagegen relativ lang sein (wenn die Arbeitnehmerin unmittelbar nach Vertragsbeginn gemäß § 16 Abs. 1 MuSchG monatelang ausfällt und nach der Entbindung das Arbeitsverhältnis selbst kündigt). Mithin ist darauf abzustellen, dass bei Vertragsschluss zwar feststand, dass die Klägerin während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht arbeitet; es stand jedoch nicht fest, dass die Klägerin während der gesamten Vertragsdauer nicht arbeitet. Diese Fallkonstellation hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung vom 04.10.2001 berücksichtigt und zu Gunsten der Schwangeren entschieden. Zudem ist nach der Auffassung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Dauer eines befristeten Arbeitsverhältnisses höchst ungewiss, da es erneuert oder verlängert werden kann. Somit ist eine Rechtfertigung gemäß § 8 Abs. 1 AGG der Frage nach der Schwangerschaft und damit eine Offenbarungspflicht im vorliegenden Fall nicht gegeben.

(3) Entgegen der Ansicht des Beklagten kann bei der hier zu beurteilenden Sachlage unbilligen Härten mit dem Rechtsinstitut des Rechtsmissbrauchs nicht entgegengewirkt werden, also z. B. wenn eine Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft gegenüber einem Arbeitgeber nicht offenbart, der gerade eine Mitarbeiterin als Vertretung für ausgefallene Stammkräfte sucht, und die es darauf anlegt, einen Arbeitsplatz zu erhalten, obwohl sie weiß, dass sie während eines wesentlichen Teils der Vertragszeit nicht arbeiten wird. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Entscheidung vom 04.10.2001 auch ausgeführt, dass die Verfügbarkeit des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber zwangsläufig eine wesentliche Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung des Arbeitsvertrags ist, der vom Gemeinschaftsrecht gewährte Schutz der Frau während der Schwangerschaft und nach der Entbindung jedoch nicht davon abhängen kann, ob die Anwesenheit der Betroffenen in dem ihrem Mutterschaftsurlaub entsprechenden Zeitraum für das ordnungsgemäße Funktionieren des Unternehmens, in dem sie beschäftigt ist, unerlässlich ist. Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass es der Klägerin lediglich darum ging, den formalen Status als Arbeitnehmerin mit dem ausschließlichen Ziel finanzieller Vorteile zu erlangen, sind nicht ersichtlich, weil bei Vertragsschluss angesichts des voraussichtlichen Endes der Schutzfrist Anfang Dezember 2021 und der Befristung bis zum 31.07.2022 die Möglichkeit gegeben war, dass die Klägerin die Arbeit antreten wird.

3. Schließlich hat auch die hilfsweise ausgesprochene Kündigung vom 01.03.2021 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet. Die insoweit fristgerecht gemäß § 4 Satz 1 KSchG erhobene Kündigungsschutzklage hat auch in der Sache Erfolg. Die ausgesprochene Kündigung ist aufgrund der dem Beklagten bekannten Schwangerschaft der Klägerin gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG unzulässig.

C. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 64 Abs. 6 ArbGG, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.“

Die Revision wird beim BAG unter dem Aktenzeichen 6 AZR 102/22 geführt. Termin: 16.02.2023