Annahmeverzug trotz des Angebotes einer Prozessbeschäftigung: BAG vom 29.03.2023 – 5 AZR 255/22
Der Arbeitgeber kann Annahmeverzug nach dem Ausspruch einer unwirksamen Kündigung nicht dadurch vermeiden, dass er dem Arbeitnehmer der äußeren Form nach eine Prozessbeschäftigung anbietet, ohne dass sein tatsächlicher Wille auf eine solche Beschäftigung gerichtet ist. Kündigt er dem Arbeitnehmer verhaltensbedingt fristlos und begründet dies mit einer Unzumutbarkeit der weiteren Beschäftigung, verhält er sich widersprüchlich, wenn er dem Arbeitnehmer eine Prozessbeschäftigung zu gleichen Bedingungen anbietet, weshalb es zu vermuten steht, dass dieses Angebot nicht ernsthafter Natur war.
Wird eine Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe gestützt, spricht dieser Umstand eher für die Unzumutbarkeit der vorläufigen Weiterarbeit für den Arbeitnehmer im Betrieb. Die Obliegenheit des Arbeitnehmers, während des Kündigungsschutzprozesses unter Umständen auch beim kündigenden Arbeitgeber zu dessen finanzieller Entlastung arbeiten zu müssen, findet dort ihre Grenze, wo sich der Arbeitgeber selbst in einer Art und Weise widersprüchlich verhält, indem er, zur Minderung seines finanziellen Risikos eine Arbeitsleistung einfordert, obwohl er, unter dem Vorbringen schwerer Vorwürfe, eine künftige Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für unzumutbar erachtet.
Achtung: Auch wenn es zur Minderung wirtschaftlicher Risiken für den Arbeitgeber plausibel erscheint, dem Arbeitnehmer während des laufenden Kündigungsschutzverfahrens eine Prozessbeschäftigung anzubieten, raten wir dazu grundsätzlich ab, um das Ziel der Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht zu gefährden.